Die Entscheidung, welche Pflanzenart für diese Portraitreihe ausgesucht wird, ergibt sich immer aus der Beziehung, die zur jeweiligen Pflanze besteht. Aus irgendwelchen Gründen erweckt sie unser Interesse – weil man sie nutzen kann, weil sie gut für die Gesundheit, wichtig für Insekten ist oder man findet die Pflanze einfach schön und möchte sie für den Anbau im Garten empfehlen. Die Bandbreite empfehlenswerter Arten ist endlos. Diesmal gibt es trotzdem einen Ausreißer aus der Reihe der Schönen und Geschätzten: Die echte Zaunwinde – man kann wirklich niemandem dazu raten, sie im Garten anzupflanzen. Doch, ihre eleganten weißen Trichterblüten sind hübsch anzusehen. Aber möchte man in seinem Garten noch irgendeine andere Pflanze blühen haben – sorry, zusammen mit der Zaunwinde wird das nichts. Zumindest nicht, wenn man sie auch nur für ein paar Wochen ihrem unglaublichen Ausbreitungsdrang überlässt. Mit ihren meterlangen Ranken überwuchert sie in kürzester Zeit alles, woran sie sich emporwinden kann. Blumen, Stauden, auch Sträucher verschwinden unter ihrem dicht verzweigten und üppig belaubten Gespinst an immer neuen Trieben, die den ganzen Sommer ungebremst weiterwachsen. Ihren noch viel wirksameren Teil entfaltet die Zaunwinde aber unterirdisch: Die grünen Ranken kann man ausreißen, das weitreichende langlebige Wurzelgeflecht dagegen überbietet die grünen Triebe an Vitalität bei Weitem bzw. in die Tiefe. Haben Sie die Zaunwinden-Wurzel einmal im Gartenboden – versprochen: Sie werden sie nicht mehr los. So definitiv möchte man das von keiner anderen Pflanzenart behaupten, selbst Giersch und Quecke kann man mit viel Disziplin in den Griff bekommen. Nicht die Zaunwinde. Es liegt daran, dass ihre Wurzeln weit in die Tiefe reichen und nur ein kleinstes übersehenes Rhizom-Stückchen ausreicht, in Null-Komma-Nichts ein neues Netzwerk zu etablieren. Ihre Energie ist so einzigartig, dass man nur fasziniert zuschauen kann. Was macht also, wenn man sie im Garten hat? Es hilft nur konsequentes Hinterherbleiben: Jäten, zumindest die oberirdischen Teile des ganz Jahr über ausreißen, das schwächt die gesamte Pflanze, also auch das Wurzelsystem. Wer diesen Aufwand nicht betreiben kann oder will, dem bleibt nur noch die Möglichkeit, das betroffene Beet in einen Rasen umzuwandeln, der so häufig gemäht wird, dass die Winde irgendwann aufgibt. Dank der vielen fleißigen Gärtnerinnen kommen wir im StadtAcker mit der Jät-Methode über den Sommer. Naja, irgendwann schafft es immer ein Trieb bis zur Blüte. Zugegeben – irgendwie gehören die reinweißen runden Trichterblüten zum Spätsommer dazu. Allerdings verbreitet sich die Pflanze nach der Blüte auch noch durch Selbstaussaat.
Die Gartengruppe vom ÖBZ hat für ihren Kalender 2025 zwölf Pflanzen aus der Gruppe der Ungeliebten ausgewählt und sie unter dem Titel „Flora non grata“ portraitiert. Da ist die Zaunwinde mit dabei. Die Beschäftigung mit den Arten führte meistens zu einem Perspektivenwechsel, denn faszinierend sind sie irgendwie doch alle, diese klassischen „Unkräuter“. Und unter dem Aspekt der biologischen Vielfalt betrachtet, spielt die menschliche Bewertung eh keine Rolle. Am 5. Oktober gibt es im ÖBZ einen Vortrag über die Flora non grata, mit Bildern und Geschichten, die nicht alle im Kalender Platz fanden. Hier mehr dazu.